17. Februar 2006, : Neue Zürcher Zeitung

Das Lächeln der Maschinen

Die Transmediale 06 in Berlin

Die 1988 als Videofestival gegründete Transmediale nimmt vom Genre «Medienkunst» terminologisch und inhaltlich Abstand. Sie heisst nicht mehr «international media art festival», sondern «festival for art and digital culture Berlin». Wie sich Kunst und Gesellschaft unter dem Einfluss von Medien und Technologien verändern, bleibt Fokus der Transmediale 06, sie will aber das eigene Kunstverständnis nicht mehr über Gebühr vom Medium Computer determinieren und einschränken lassen. Dieser Willen setzt sich inhaltlich in der historischen Ausrichtung der Festival- Ausstellung «Smile Machines» um: Die von der französischen Filmwissenschafterin Anne-Marie Duguet kuratierte Ausstellung versammelt zwar fast nur Exponate, die mit elektronischen Medien arbeiten. Doch zentraler historischer Referenzpunkt ist die Fluxus-Bewegung, die sich stark mit Video und Fernsehen, aber natürlich noch nicht mit digitalen Medien auseinandersetzte.

Generalthema «Humor»

Auch das Generalthema von Ausstellung und Konferenz, «Humor» als künstlerische Strategie, zielt auf ein allgemeineres Kunstpublikum, während frühere Festival-Themen wie «Globalisierung», «Do it yourself» oder «Utopia» in viel engerem Bezug zum Medium Computer standen. Die Auszeichnung des diesjährigen Award lässt sich ebenfalls als Tendenz zur Öffnung des Festivals gegenüber der bildenden Kunst verstehen: Die Arbeit «SGM-Eisberg-Sonde» von Agnes Meyer-Brandis simuliert Tiefenbohrungen in künstlichen Eisflächen, zum Beispiel in Hallenstadien. Sie «dokumentiert» die so erschlossene Untergrundwelt mittels digitaler, mit Hilfe einer Sonde aufgenommener Bilder, kombiniert aber dieses Maximum an Virtualität mit einem erfahrbaren Exponat jenseits reiner Bildschirm-Präsenz: In einem Innenhof der Akademie der Künste, wo die bis anhin im Haus der Kulturen angesiedelte Transmediale dieses Jahr zum ersten Mal stattfand, hatte Meyer-Brandis ein Zelt aufgebaut und lud die Transmediale-Besucher zur eigenhändigen Erkundung des vereisten Festival- Untergrundes ein.
Die historische und allgemein-ästhetische Tiefenbohrung, die das diesjährige Festival unternimmt, spielt sich vor allem in der noch bis Mitte März laufenden Ausstellung sowie im Rahmen der Konferenz im grossen Auditorium der Akademie ab. Darunter waren einige Highlights wie der liebenswert-chaotische Auftritt Jean-Jacques Perreys, mittlerweile 76-jähriger Pionier der elektronischen Musik, oder das von der Kuratorin Inke Arns moderierte Panel zu einer Mistakology, einer Kunstlehre des technischen Fehlers.

Sperrige Praktiken

Das Thema Humor anhand von Samuel Becketts grandios-unheimlichem Film-Experiment «Film» aus dem Jahre 1965 abzuhandeln, ist ein erster Schritt im Rahmen der sinnvollen Öffnung des Festivals. Ein nächster bestünde darin, diesen historischen Blick fruchtbar zu machen für die Deutung und Vermittlung avantgardistischer und sperriger Kunstpraktiken der Gegenwart, wie sie im Kontext des Mediums Computer häufig zu beobachten sind. Über Letztere konnte man sich in einer parallelen Vortragsreihe in einem kleineren Saal der räumlich doch recht begrenzten Akademie ein lebendiges Bild machen. Ausserdem führte das österreichische Künstlerkollektiv Monochrom in einer Abendveranstaltung und an einem permanenten Stand im Foyer-Bereich in fulminanter Weise ihre Performance- und Desinformations-Kunst als eine des forcierten Humors vor.
Villö Huszai

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